Holt die guten Ideen aus den Unis raus!

Autor*in

Tomasz Lachmann
Artikel
Letztes Update
17/11/2022

In meiner Tätigkeit als Gastdozent an der Leuphana Universität erlebe ich wie junge, aufgeweckte Menschen innovative und nachhaltige Utopien entwickeln. Was in der Realität geschieht, sieht häufig anders aus. Nun drängt sich mir die Frage auf, wie wir es schaffen, diese jungen Ambitionen besser in die Hierarchien von heute zu integrieren. – Erlaubt mir laut zu denken.

Es ist schon unglaublich. Wir hatten bisher nur eine Auftaktveranstaltung, eine Begehung vor Ort und just gestern eine dritte Seminar-Sitzung. Mit welchen Ideen meine Studierenden (sagt man das so? meine? Naja, egal) für ein potentielles Transformationsquartier im Lindener Hafen in Kürze der Zeit auflaufen, ist erstaunlich und inspirierend zugleich.

Von innovativen Ansätzen der Beteiligung im Sinne von Roundtable-Formaten der anliegenden Stakeholder, über neue Mobilitätswege und -praktiken, die Anreize für im Hafen Beschäftigte schaffen, sich klimafreundlicher zur Arbeit zu bewegen, und Smartfarms, die die ansässigen Kantinen mit lokalproduzierten Lebensmitteln versorgen sollen, bis hin zu StartUp-Inkubatoren, die auf die Entwicklung kreislaufbasierter Geschäftsmodelle abzielen, und vieles mehr, kommen erstaunlich schnell, sehr gute und sinnvolle Utopien zusammen. – Klar. Es erfordert natürlich viel mehr als nur gute Ideen, um das nachhaltig Sinnvolle und verwaltungstechnisch bzw. wirtschaftlich Machbare zusammen zu bringen. Das steht außer Frage.

Hoffnung macht es natürlich trotzdem. Schließlich sind das die jungen Talente, die ihre akademische Laufbahn hoffentlich in Führungspositionen fortsetzen werden. Die Kernfrage, die sich der ungeduldige Utopist in mir stellt, bleibt dennoch unbeantwortet: Wieso schaffen wir es nicht schneller, all diese sehr schlauen Impulse besser in die Stadtentwicklung (oder noch besser Gesellschaftsentwicklung) einzubinden?

Spricht man heute öffentlich von den Generationen X-Y-Z, heißt es häufig, die jungen Menschen wissen doch gar nicht mehr, was es heißt zu arbeiten. Manchmal will man zustimmen. Frei nach Söder: Die sollen mal Freitags lieber in die Schule gehen (Bitte nicht!). Machen wir uns die Debatte um die Generationen vielleicht zu einfach? 

Die Verzahnung von wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und zivilen Wirkungshorizonten beschäftigt mich sehr. Wenn man sieht, wie begeisterungsfähig Studierende werden, wenn sie an etwas arbeiten, das einen realen Bezug hat, bekommt man eine Ahnung davon wie ambitioniert Veränderungsarbeit aussehen könnte.

Die Strategie hinter diesem Seminar besteht im Kern darin, diese jungen Kreativen mit Verantwortlichen in der Stadtentwicklung zusammen zu bringen, in der Hoffnung, dass sich die Horizonte beider Gruppen erweitern. Erstaunlich ist dabei, dass das 'Machen-wir-doch-schon', 'Das-wird-niemals-funktionieren' und 'Haben-wir-doch-schon-probiert' selbst in solchen theoretischen Projekten keimt.

Wie es sich anfühlt, zukunftsfähige Ideen zu entwickeln und sich trotzdem gegen Formalien und Deutungshoheiten durchsetzen zu müssen und wie demotivierend das sein kann, kenne ich nur allzu gut.

Es müsste eigentlich anders rum sein. Wir müssten kollektiv dankbar dafür sein, dass sich ambitionierte junge Menschen Gedanken darüber machen, wie man Zukunft gestalten kann, sie einladen ihre Ideen einzubringen und befähigen, diese Ideen auszugestalten.

Ich will nicht sagen, dass das nicht schon passiert. Und vor allem bei der Expert*innen-Runde in diesem Prozess habe ich eine große Zugewandtheit wahrgenommen. Nur damit ich hier richtig verstanden werde. Meine Fragestellung(en) sind eher struktureller Natur.

Wie können innovative Ideen aus Universitäten (nicht nur da, aber bleiben wir erstmal dabei) besser in Wirtschafts- und Verwaltungsbetriebe integriert werden? Was können klassische Organisationen und Institutionen von jungen Menschen oder Innovator*innen lernen? Wie kann man eine bessere Integration von technischen und sozialen Innovationen vorantreiben? Kurz: Wie schaffen wir es innovationsfreundlicher zu werden?

Ich weiß, ich bin nicht der Erste, der sich diese Fragen stellt. Im Buzzword-Gewitter müsste ich jetzt wahrscheinlich den Design-Thinking-Regenschirm rausholen. Das lasse ich an dieser Stelle aber.

Stattdessen wende ich mich direkt an Dich! Ja, genau, Dich! Du sitzt in einer Verantwortungsposition in einem (mittel-)großen Unternehmen, einer Verwaltung oder einer Partei? Dann habe ich eine Idee für Dich: Lade dir einfach regelmäßig Studierende ein, die deinen Laden (natürlich nur theoretisch) auf den Kopf stellen, höre zu, nimm an was geht, filtriere das Wirkungsvolle raus und nimm Menschen in die Verantwortung, die den Antrieb haben, sich dem Problem zu widmen. Transformation zu gestalten, heißt eben auch mitgestalten zu lassen.

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