Wir brauchen eine produktive Innenstadt!

Autor*in

Tomasz Lachmann

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Letztes Update
9/11/2022

Die Corona Pandemie war deutschlandweit der Katalysator sich einem längst überfälligen Problemfeld zu widmen: Den Innenstädten. So hat man sich auch in Hannover auf einen Innenstadt-Dialog eingelassen. Stand jetzt ergibt sich ein Bild mit mehr freiräumlicher Entwicklung: Mehr grün, mehr Aufenthaltsqualität, weniger Autos. Doch ist das alles was wir brauchen, um zukünftig krisensicherer zu leben?

Grafik: wirgestalt.
(Vielen Dank! 💚🙏) 

Ok, ich gebe es zu: Die Möglichkeit, sich in den Innenstadt-Dialog einzubringen, ist fast vollständig an mir vorbei gegangen. Gelegenheiten, sich zu beteiligen, hätte es gegeben, doch sowohl Zeit-Ressourcen als auch Ansprache schienen nicht zu passen. Auch wenn ich mir Mühe gegeben habe, Zwischenstände zu lesen und an Informationsveranstaltungen teilzunehmen, irgendwie hat es nicht gereicht. Nach allem was ich nun aufgearbeitet habe, scheint uns ein wichtiger Aspekt zu entgehen: Die produktive Stadt.

Die produktive Stadt ist eine Antwort auf die Frage wie Städte resilienter, soll heißen widerstandsfähiger, unabhängiger von globalen Lieferketten und weniger Klima schädlich (vielleicht sogar klimapositiv) und wirtschaftlicher (!) funktionieren: Eine Stadt der kurzen Wege, in der Waren innerstädtisch hergestellt, in der Kreisläufe geschlossen und neue Wertschöpfungsketten identifziert und genutzt werden. Die produktive Stadt lebt von urbaner Produktion:

die Herstellung und Bearbeitung von materiellen Gütern in dicht besiedelten Gebieten, die häufig lokale Ressourcen und lokal eingebettete Wertschöpfungsketten nutzt. Die Betriebe agieren dabei (gemein-/eigen-)wirtschaftlich. – Definition: BBSR, 2021

Da ich mittlerweile verstanden habe, dass in Hannover selten etwas gemacht wird, was nicht (andernorts) bereits erprobt ist, versuche ich mich in diesem Beitrag mal mit einer Rundschau guter Beispiele für sinnvoller urbane Produktion. Im Hinterkopf natürlich immer die Frage, wie uns diese Beispiele dazu inspirieren können die Innenstadt als nachhaltigen Wirtschafts-, Lebens- und Gestaltungsraum zu verstehen.

Urbane Manufakturen

Bleiben wir doch erstmal in Hannover. Die UNTER EINEM DACH gUG macht es mit der Ausgründung der Maesh GmbH bestens vor: Aus gebrauchten Werbebannern entstehen einzigartige und nachhaltige Taschen. Das Ganze gleich auch noch mit einem wichtigen sozialunternehmerischen Aspekt: In der Nähwerkstatt arbeiten Frauen mit Flucht- und Migrationsgeschichte. Ein echtes Frauenpower-Wunder mit vielen positiven Effekten, Adaptions- und Skalierungspotentialen für die (Stadt-)Gesellschaft.

Quelle: maesh.de

Ähnliche Beispiele gibt es wirklich viele! Die Urbanisten e.V. aus Dortmund haben sich unter dem Label UrbaneProduktionRuhr die Mühe gemacht und einige Inspirationen zusammengetragen und zu verorten.

Urbane Landwirtschaft

Die Hut & Stiel GmbH aus Wien setzt der Idee, Ressourcen im Kreislauf zu verwenden, ein Krönchen auf. Das Team sammelt Kaffeesatz aus umliegenden Gastronomien, erzeugt daraus Pilzsubstrat, züchtet Pilze und veredelt diese zu verschiedenen Produkten. Die entstehenden Reste werden wieder zu Dünger verarbeitet, mit dem neuer Kaffee-Anbau betrieben wird.

Quelle: hutundstiel.at

Du magst keine Pilze futtern? Kein Problem! Es geht auch eine Nummer größer: 2007 gründeten Eben Bayer und Gavin McIntyre Ecovative. Das in New York ansässige Unternehmen widmet sich der Herstellung vieler verschiedener Materialien aus Myzel, also Pilzen. Ihre Verpackungsmaterialien werden mittlerweile weltweit eingesetzt und sind ganz einfach kompostierbar.

Quelle: ecovative.com

Neben solchen Projekten wirken Stadtgärten, Aquaponik und Vertical-Farms fast wie ein alter Hut. Der Vollständigkeit halber auch hierzu noch zwei Beispiele:


Urbane Prozesse

Die Frage, die nun aufkommt: Wie entstehen derartige Unternehmungen bzw. wie kann man sie befördern und fordern? Unzweifelhaft ist, dass es Kapital und Know-How braucht, Menschen mit Antrieb und Lust zu gestalten.

Es braucht aber auch Platz, um ausprobieren zu können, und ein stadt-, regions- oder landespolitisches Bekenntnis, ein s.g. Narrativ, das Einwohnende motiviert, ihr Ding zu machen. Ich will Hannover keineswegs absprechen, dass es das nicht gäbe. Schließlich gibt es einige (StartUp-)Förder- und Begleitprogramme. Doch scheinen die verschiedenen Potentiale noch verstreut.

All diese Potentiale an einem Ort zu bündeln, konzentrierte Prozesse, Ideenwettbewerbe, Schulungen, Austausch und dazugehörige Zuschusslogiken bereitzustellen ist aus meiner Sicht die Aufgabe von innovativer Wirtschaftsförderung und (Stadt-)Politik.

Inspiration kann man sich beispielsweise in NRW holen: Neue Urbane Produktion wird hier gemeinsam von verwalterischen, wissenschafltichen und zivilen Akteuren befördert.

Urbane Zukunft

Unsere Innenstadt mit dem vielen kreativen Potential Hannovers zu gestalten, Querverbindungen von einer Technik-orientierten Szene über Kultur- und Kreativ-Wirtschaft zur Nachhaltigkeitsszene und Sozialunternehmenden herzustellen wäre spannend. Und noch mehr: Mit Sicherheit finden wir so auch Lösungen für viele Herausforderungen vor denen wir stehen.

Doch das geht nur, wenn man sich auf Experimente einlässt und interdisziplinär zusammenarbeitet – auch in der Innenstadt.

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